Nachruf für Professor Dr. med. Dr. h. c. Folker Hanefeld
(umg) Professor (em.) Dr. med. Dr. h. c. Folker Hanefeld, ehemaliger Direktor der Abteilung Kinderheilkunde, Schwerpunkt Neuropädiatrie im Zentrum Kinderheilkunde der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), ist am 9. Mai 2022 im Alter von 84 Jahren verstorben. Folker Hanefeld folgte 1985 dem Ruf nach Göttingen auf eine Universitätsprofessur für Kinderheilkunde, Schwerpunkt Neuropädiatrie. Er leitete die damals neu eingerichtete gleichnamige Abteilung bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002.
Von Göttingen aus hat Prof. Hanefeld entscheidend die deutsche und europäische Neuropädiatrie mitgestaltet. Im Vordergrund seines wissenschaftlichen Interesses standen die neuromuskulären Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters, das Rett-Syndrom und die kindliche Multiple Sklerose (MS) sowie neurometabolische Erkrankungen und Entmarkungserkrankungen des Gehirns (Leukodystrophien). Die Abteilung Kinderheilkunde, Schwerpunkt Neuropädiatrie der UMG entwickelte sich unter der Leitung von Folker Hanefeld zu einem Referenzzentrum für angeborene Stoffwechselerkrankungen des Gehirns, Muskelerkrankungen, schwere Epilepsien, geistige Behinderungen und Fehlbildungen des Gehirns. Dabei arbeitete er eng mit der Neuropathologie, der Neurochirurgie und der Humangenetik der UMG sowie mit der Forschungsgruppe Biomedizinische NMR und MR Spektroskopie am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen zusammen.
Ende der 1980er war Folker Hanefeld mit unter den ersten Forschern, die die MS bei Kindern entdeckten. Er war initiativ an einer bundesweiten Studie beteiligt, die Ende der 1990er ergab, dass MS-Symptome, wie Seh- und Gleichgewichtsstörungen und Lähmungen bereits bei sehr jungen Kindern auftreten können. Die MS gelangte in den Folgejahren wieder in das Bewusstsein von Kinderärzt*innen und die Neuropädiatrie der Universitätsmedizin Göttingen entwickelte sich zu einem bis heute bundesweit bekannten Kompetenzzentrum für die Diagnose und Therapie von MS im Kindes- und Jugendalter.
Für seine Verdienste um die Diagnose und Therapie von Entwicklungsstörungen und kinderneurologischen Erkrankungen wurde Folker Hanefeld mehrfach ausgezeichnet. 2001 erhielt er den Ehrenpreis der Gesellschaft für Neuropädiatrie für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Neuropädiatrie. Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM) würdigte sein berufliches Lebenswerk und seine Verdienste auf dem Gebiet der neuromuskulären Erkrankungen im Jahr 2003 mit der Verleihung des Duchenne-Erb-Preises. Die Auszeichnung ging damals erstmals an einen deutschen Pädiater. Im Jahr 2019 bekam Prof. Folker Hanefeld mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande die höchste Auszeichnung der Bunderepublik für Verdienste um das Gemeinwohl verliehen. Er erhielt diese Auszeichnung für seine Arbeit, Verdienste und Forschungen zum Rett-Syndrom, einer Hirnerkrankung, die nur junge Mädchen betrifft. Darüber hinaus wurde Folker Hanefeld 1985 von der Universität Göteborg mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Im Jahr 2002 bekam er von der Kazakh State Medical University, Republic of Kazakhstan, den akademischen Titel "Honoured Professor of the Kazakh State Medical University" verliehen.
Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) trauert um einen leidenschaftlichen Neuropädiater, engagierten Arzt und Hochschullehrer sowie national und international renommierten Wissenschaftler. Die Universitätsmedizin Göttingen wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
ZUR PERSON
Professor Dr. Dr. h.c. Folker Hanefeld, geboren am 28. Juni 1937 in Meißen, studierte Humanmedizin an der Universität Köln. Im Jahr 1963 wurde er mit einer Arbeit über die Oxytalanfasern im Neurinom (einer Geschwulst des Hörnerven) promoviert. Von 1963 bis 1965 war er am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Köln tätig. Anschließend absolvierte er seine pädiatrische Ausbildung in Berlin. Es folgten Stationen als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Hospital for Sick Children, GOS London und im Institute of Neuropathology Queen Mary’s Hospital, Carshalton. 1974 wurde er an der Kinderklinik der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit zum Thema „Klinischer Verlauf und neuropathologische Befunde chronischer Epilepsien im Kindesalter" habilitiert. In den Folgejahren bis 1985 baute er als Professor für Kinderheilkunde dort eine Abteilung Pädiatrie mit Schwerpunkt Neuropädiatrie auf. 1985 nahm er den Ruf auf die Professur für Kinderheilkunde, Schwerpunkt Neuropädiatrie an die Universität Göttingen an und leitete die gleichnamige Abteilung bis zum 30. September 2002.
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